experienceLESER Sicherheitsventil Wissen – Fehlfunktion Schlagen

Ein schlagendes Sicherheitsventil will kein Betreiber in seiner Anlage haben, doch was ist das eigentlich und wie kommt es dazu?

Gem. ASME PTC 25, 2018 Kapitel 2.7 wird das Schlagen (im englischen Chattering) wie folgt definiert: „abnormal rapid reciprocating motion of the movable parts of a pressure relief valve in which the disk contacts the seat.“

 

Es handelt sich also um ein schnelles Öffnen und Schließen des Sicherheitsventils, bei dem Teller und Sitz aufeinander „schlagen“. Als Folge werden nicht nur die Dichtflächen beschädigt, sondern es kommt auch zu einem unzulässig hohen Druckanstieg. Die zulässiges Drucksteigerung von 10% oberhalb des Ansprechdruckes können schnell überschritten werden und im schlimmsten Fall kann dies zur Gefahr für Mensch, Umwelt und Industrie werden. Im Hub-Druck-Diagramm sieht die Funktionskurve dann beispielhaft so aus:

 Bild1        Chattering
 Hub-Druck-Diagramm  Chattering

 

Doch wie kann es dazu kommen, dass ein Sicherheitsventil beginnt zu schlagen? Im Wesentlichen können zwei Aspekte hierbei eine Rolle spielen:

  • Eintrittsdruckverlust
  • Gegendruck

Auswirkungen von erhöhtem Eintrittsdruckverlust am Eintritt des Sicherheitsventils

Durch Leitungslänge, Rohrbögen und sonstige Einbauten in der Zuleitung zum Sicherheitsventil kommt es während des Abblasens des Sicherheitsventils zu Reibungsverlusten und damit zu einem Druckabfall vom abzusichernden System bis zum Eintritt des Sicherheitsventils. Eintrittsdruckverluste >3% sind gemäß den international gültigen Regelwerken nicht zulässig, um das Risiko einer instabilen Funktion zu vermeiden.

Ein zu hoher Druckverlust kann dazu führen, dass durch die von oben wirkende Federkraft und den geringeren Druck im Eintritt des Sicherheitsventils das Ventil wieder schließt. Der Druck im abzusichernden System ist jedoch noch nicht wieder auf den normalen Betriebsdruck abgesunken, wodurch der Druck über die Rohrleitung bis zum Eintritt des Ventils wieder ansteigt – das Ventil öffnet wieder. Durch das erneute Abströmen kommt es wieder zum Druckverlust und das Ventil öffnet und schließt mit hoher Frequenz, man spricht vom Schlagen.
Bild2
Eigengegendrücke

Auswirkungen von Gegendruck

Auf der Austrittsseite eines Sicherheitsventils kann es zu einem ähnlichen Effekt kommen. Beim Abblasen des Sicherheitsventils kommt es durch Leitungslänge, Durchmesser und Einbauten wie z.B. Bögen oder Schalldämpfer zu einem sogenannten Eigengegendruck.

Überschreitet dieser die zulässigen 15% vom Ansprechdruck für ein konventionelles Sicherheitsventil oder 35% bzw. 50% vom Ansprechdruck* für ein federbelastetes Sicherheitsventil mit Faltenbalg kann es ebenfalls dazu kommen, dass das Ventil wieder schließt. Dies geschieht, weil dann der rückseitige Druck auf den Teller zusammen mit der Federkraft so groß wird, dass das Sicherheitsventil wieder zugedrückt wird.

Der Druck im Eintritt steht weiterhin an, wieder an oder steigt sogar noch weiter an, weil das eigentliche Überdruckszenario noch nicht abgestellt ist. Der Eigengegendruck am Austritt sinkt bei vermindertem Hub während das Sicherheitsventil zugedrückt wird, dadurch kann das Sicherheitsventil wieder öffnen. So kommt es auch hier zum Schnellen Öffnen und Schließen des Ventils, es beginnt zu schlagen.

*) 35% für alle Ventile außer API Type 526 / 50% für API Type 526

Zur Abstellung vom Schlagen oder Flattern aufgrund von zu hohen Eintrittsdruckverlusten oder Eigengegendrücken können folgende Maßnahmen ergriffen werden:

  • Reduzierung der Leistung des Sicherheitsventils (Hubbegrenzung, kleineres Sicherheitsventil)
  • Optimierung der Leitung (Länge und Einbauten reduzieren, Durchmesser vergrößern)

Je nach Anlagensituation können weitere Effekte wie Druckstöße und Resonanzeffekte dazu führen, dass ein Sicherheitsventil beginnt zu schlagen. Diese sind aktuell allerdings noch Gegenstand der Forschung.

All diese Effekte müssen bei der Planung und Auslegung ausreichend berücksichtigt werden, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten und einen unzulässig hohen Druckanstieg zu vermeiden.

Fun Fact:

Die Demonstrationsanlage im LESER Kontor in Hamburg hat im Schlagen (Chattering) von Sicherheitsventilen ihren Namensursprung gefunden und wurde auf den Namen „Chatroom“ getauft.